Beschneidung von Jungen und Mädchen aus religiösen Gründen

Das Kölner Urteil, die gesellschaftliche Diskussion und die juristische Entwicklung.

Offene Briefe gegen die Beschneidung

Ärzte und Juristen plädieren gegen die Beschneidung
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidungsdebatte-aerzte-und-juristen-plaedieren-gegen-die-beschneidung-11827596.html
mit weiterem Verweis auf den offenen Brief von derzeit 700 Ärzten und Juristen
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/offener-brief-zur-beschneidung-religionsfreiheit-kann-kein-freibrief-fuer-gewalt-sein-11827590.html
Der Brief ist noch in der Mitzeichnung.

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Offene Briefe, die für die religiöse Beschneidung eintreten.

Für das Menschenrecht auf elterliche Erziehung zur religiösen Identität
http://schnitt-stelle.blogspot.com/2012/08/OffenerBrief-ProBeschneidung-MenschenrechtReligionErziehung.html

In dem offenen Brief pro Beschneidung heißt es:
"Die Beschneidung ist ... ein Akt, der die Körper der Jungen vollständig werden lässt..."
Hier ist keine Argumentation mehr möglich. Hier ist WAHR=FALSCH.

"Nicht die Eltern, sondern eine Gesellschaft, die muslimischen und jüdischen Jungen eine solche selbstverständliche religiöse und soziale Identität verweigert, verletzt ihre Würde."
Die Menschenwürde des Einzelnen verwirklicht sich demnach "selbstverständlich", indem ihm ohne seine Einwilligung ein Körperteil durch einen anderen amputiert wird.

"Die Verabsolutierung des kindlichen Rechts auf körperliche Unversehrtheit bedeutet, dass Normativität nur den unbeschnittenen Körpern der Mehrheitsgesellschaft zugestanden wird..."
Der unversehrte (unbeschnittene) Körper ist der Normalzustand, nicht der Mehrheitsgesellschaft, nicht anderer Religionsgemeinschaften, sondern der Menschheit.

"...nur sie haben eine selbstverständliche und "natürliche" Existenzberechtigung."
Es wird wieder unterstellt, der beschnittene Zustand sei ein natürlicher Zustand. Weiterhin wird behauptet dem beschnittenen Körper - also den Juden - würde die Existenzberechtigung abgesprochen. Dieses heißt nichts anderes, als dass hier realer Judenmord stattfinden würde.

Der beschnittene Körper und der unbeschnittene Körper eines Individuums sind natürlich nicht mehr miteinander identisch. Schon die Merkmalsveränderung eines Körpers (ganz allgemein) mit seiner physischen Gesamtvernichtung gleich zu setzen ist offensichtlich unzulässig, da die Änderung der Teilmenge nunmal nicht identisch mit der Änderung der Gesamtmenge ist. Dies bei der Merkmalsbeibehaltung (keine Beschneidung) in Bezug auf die nur vorgestellte, also nicht vollzogen und damit irreale Merkmalsänderung (Beschneidung) zu behaupten, bedeutet, aus der Existenz des physiologisch vollkommen natürlichen und gesunden Körpers die Gesamtvernichtung eines realen beschnittenen Körpers zu schlussfolgern. Die Beibehaltung unversehrten Lebens wäre damit Vernichtung von menschlichem Leben.

Dieser Logik weiter folgend ist der Nicht-Beschnittene-Körper die Gesamtvernichtung des Beschnittenen-Körpers und umgekehrt. Im Vorgang der Beschneidung wird demnach auch der Nicht-Beschnittene-Körper gesamtvernichtet. Demzufolge wird also aus jüdischer Sicht allen Nicht-Beschnittenen-Körpern jüdischer Eltern die tatsächlich natürliche Existenzberechtigung abgesprochen. Der den Beschneidungsgegnern unterstellte Vernichtungswille ist also nichts anderes als die Übertragung des jüdischen Wertesystems auf diese. (Im Volksmund auch: Was ich selber denk und tu, …)

Nun stellt sich aber eine wesentliche Frage: Kann das, dem die Existenzberechtigung abgesprochen wird überhaupt ein Mensch sein? An der Wiege des neu geborenen Kindes stehend, müssen wir uns hierzu erneut an Primo Levi wenden und uns mit ihm fragen: "Ist das ein Mensch?"

Falls - aus jüdischer Sicht - Menschen unzweifelhaft eine Existenzberechtigung besitzen, sind Unbeschnittene demzufolge keine Menschen. Die Frage lautet dort dann wohl: Ist das ein Mensch oder muss es erst beschnitten werden?

Im folgenden Satz: "Jüdischen und muslimischen Eltern wird damit nicht weniger als das Recht auf eine selbstverständliche Nachkommenschaft genommen." wird zumindest bestätigt, dass unbeschnittene Kinder grundsätzlich aus jüdischer Sicht keine Nachkommenschaft für Juden sein können und was kein menschlicher Nachwuchs ist, muss natürlich auch nicht betäubt werden.

Weiterhin würde dies für muslimische Eltern bedeuten, diese würden sechs Jahre oder länger gar nicht ihren eigenen Nachwuchs betreuen, da die Beschneidung dort in der Regel erst später stattfindet. Man sollte mal nachfragen, ob der Text überhaupt von Muslimen erdacht oder wenigstens gegengelesen wurde.

Der Satz: "Es ist ein zentrales Anliegen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit, nicht den Vorstellungen einer Mehrheit folgen zu müssen, sondern für sich das Recht auf ein Leben nach eigenen, dem eigenen Selbstverständnis verpflichteten religiösen Handlungen in Anspruch nehmen zu können." ist dann in Fortführung der jüdischen Logik sogar in der vollständigen Verallgemeinerung des Begriffes Menschenrecht auf alle Menschen richtig, da der unbeschnittene Säugling aus jüdischer Sicht kein Mensch ist, sondern die Beschneidung ihn erst zu einem solchen macht. Die Beschneidung ist demzufolge die Voraussetzung, um überhaupt in den Genuss der "Menschenrechte" zu gelangen.

Die Entheiligung des Sabbats, um Leben zu retten

Rafael Seligmann stellte in der Phönix-Diskussion vom 4. Juli 2012 die besondere Bedeutung des Lebens in der jüdischen Religion heraus. Diese herausgehobene Ausformulierung des absolut Selbstverständlichen, dessen was sicheres, unabstreitbares und unzerstörbares Fundament unser Demokratie zu sein scheint, die Unantastbarkeit nicht nur der Menschenwürde, sondern des menschlichen Lebens selbst, bedurfte einer Nachversicherung, einer Nachversicherung, die die Infragestellung bereits in sich trug. Welche ganz spezielle Bedeutung "des Lebens" Seligmann gemeint haben könnte, zeigt sich im Folgenden.

Im Zuge der Beschäftigung mit dem Thema Beschneidung und Judentum bin ich auf das Buch von Israel Shahak, Jüdische Geschichte, Jüdische Religion - Der Einfluß von 3000 Jahren aufmerksam geworden, das zu schreiben sich für ihn aus folgendem Anlass ergab. Israel Shahak schreibt in seinen einleitenden Worten:
"Ich war selbst Augenzeuge eines Vorfalls, bei dem ein ultrareligiöser Jude die Erlaubnis verweigerte, sein Telefon am Sabbat zu benutzen, um einen Rettungswagen für einen Nichtjuden herbeizurufen, der zufällig in seiner Jerusalemer Nachbarschaft zusammengebrochen war. Anstatt den Vorfall einfach in der Presse zu veröffentlichen, bat ich um ein Treffen mit den Mitgliedern des Rabbinischen Gerichts von Jerusalem, das aus Rabbinern zusammengesetzt ist, die vom Staate Israel ernannt werden. Ich fragte sie, ob ein solches Verhalten mit ihrer Interpretation der jüdischen Religion vereinbar war. Sie antworteten mir, daß sich der betreffende Jude richtig, ja sogar fromm verhalten hatte, und untermauerten ihre Feststellung, indem sie mich auf eine Passage in einem maßgeblichen Handbuch der talmudischen Gesetze hinwiesen, das in diesem Jahrhundert verfaßt worden war."
In Kapitel DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN, Abschnitt Die Entheiligung des Sabbats, um Leben zu retten heißt es weiter:
"Das Problem, das Leben eines Nichtjuden am Sabbat zu retten, ist im Talmud keine wesentliche Streitfrage, denn es ist grundsätzlich verboten, auch an einem Wochentage;"

Eine Weltanschauung, die Menschen unterschiedliche Lebensberechtigungen zuweist, ist nichts anderes als eine Ideologie vom Untermenschen.

Wenn wir diesen Wertemaßstab in die Überlegungen zur Beschneidung mit einbeziehen, ergibt sich der möglicherweise tatsächliche Grund für die unabdingbare Notwendigkeit zur Transformation in einen Juden durch die Beschneidung.

Keine Gesellschaft wird eine solche Abwertung, unabhängig von ihrem Entwicklungsgrad, widerstandslos dauerhaft hinnehmen. Keine fortschrittlich aufgeklärte Gesellschaft wird die Menschenrechtsverletzung, die durch die Beschneidung erfolgt auf Dauer erdulden. Juden und Muslime werden sich entscheiden müssen, ob sie sich als wahrhaft Reine oder einzig Auserwählte weiterhin von der Menschheit diskriminieren wollen. Und hiermit sind nicht nur Nicht-Juden und Nicht-Muslime gemeint sondern auch ihr eigenes Menschsein.

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